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Kann die Krankenkasse mich zur Reha zwingen?

Aktuelles

Maximal 78 Wochen lang gibt es in Deutschland Krankengeld. Für die Betroffenen eine harte Zeit, denn am Ende des Monats fehlen mindestens zehn Prozent des gewohnten Netto-Gehalts. Doch wer auf Krankengeld angewiesen ist, muss in vielen Fällen nicht nur finanziell einiges durchmachen.

In der Sozialberatung des SoVD berichten unsere Mitglieder regelmäßig über ihre Erfahrungen mit Mitarbeitern der Krankenkasse. Von regelrechtem Telefonterror ist da beispielsweise die Rede – anfangs noch in freundlichem Tonfall, später immer fordernder. Was steckt dahinter, dass gesetzliche Krankenversicherungen immer öfter mit derart harten Bandagen kämpfen? Und dürfen die das eigentlich?

Krankengeld: Was darf die Krankenkasse?

Wer schon einmal längere Zeit krank war, hat vielleicht schon selbst erlebt, wie fürsorglich die Krankenkasse plötzlich werden kann. Zu Beginn erkundigt sich die freundliche Mitarbeiterin vielleicht nur nach dem allgemeinen Befinden. Nicht viel später kommen dann oftmals gefährliche Ratschläge dazu: Ob es bei solch einer ernsten Erkrankung nicht sinnvoller wäre, den stressigen Job ganz hinter sich zu lassen und Arbeitslosengeld zu beantragen? Falls so etwas bei Ihnen der Fall ist, lesen Sie bitte sofort unseren Beitrag „Die Maschen der Krankenkassen“.

Die Kassen wirken hier in einer rechtlichen Grauzone. Es ist ihnen nicht verboten, ihre Versicherten zu kontaktieren. Auch Hinweise, wie es weitergehen könnte, dürfen sie geben. Umso wichtiger ist es, dass Sie als Betroffener Ihre Rechte kennen. Und an dieser Stelle muss man ganz klar festhalten: Die Krankenkasse darf Ihnen in keinem Fall diktieren, Ihren Arbeitsvertrag zu kündigen.

Anders verhält es sich beim Thema Reha. Durch den politisch gewollten Wettbewerb unter den Krankenkassen, hat Ihre Versicherung kein Interesse daran, über einen längeren Zeitraum Krankengeld zu zahlen. Einfach deshalb weil das sehr teuer ist. Vor diesem Hintergrund steht Ihrer Krankenversicherung ein völlig legitimes Instrument zur Verfügung, um Sie mittelfristig loszuwerden: Sie können aufgefordert werden, eine Reha zu beantragen.

Über die Reha aus dem Krankengeld

Wenn man bei Ihrer Krankenversicherung die Ansicht vertritt, dass Sie nicht mehr arbeitsfähig sind und eigentlich in die Erwerbsminderungsrente gehören, darf man Sie in die Reha schicken. Genauer gesagt, wird die Krankenkasse Sie auffordern, selbst einen Antrag zu stellen. Wenn Sie einen Brief mit diesem Inhalt erhalten, bleibt Ihnen ein Zeitfenster von zehn Wochen. Stellen Sie nun keinen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben – so der offizielle, etwas sperrige Name einer Reha – wird die Kasse das Krankengeld nach Ablauf der 10-Wochen-Frist einstellen.

Diese oft als „Gestaltungsrecht“ bezeichnete Maßnahme ist völlig rechtens. Ihre Krankenkasse darf Sie zur Reha zwingen. Selbstverständlich haben Sie immer die Möglichkeit, den Bescheid einer Sozialbehörde mithilfe eines Widerspruchs anzufechten. Aber im Grundsatz ist es das Recht der Krankenversicherung, Ihre Erwerbsfähigkeit durch die Reha überprüfen zu lassen.

Wieso schickt die Kasse Sie überhaupt in die Reha? Nun, im Rahmen dieser meist dreiwöchigen Maßnahme wird evaluiert, ob Sie dem Arbeitsmarkt gesundheitlich überhaupt noch gewachsen sind. Falls die Gutachter im Rahmen der Reha zu dem Ergebnis kommen, dass Sie weniger als drei Stunden am Tag arbeiten können – unabhängig von Ihrem aktuellen Job und voraussichtlich für länger als sechs Monate – dann wird Ihr Reha-Antrag in einen Antrag zur Erwerbsminderungsrente umgewandelt. Mit dem Ergebnis, dass die Kasse kein Krankengeld mehr zahlen muss.

Wie soll ich mich verhalten, wenn die Krankenversicherung mich in die Reha schicken will?

Noch einmal: Wenn die Kasse der Meinung ist, Ihre Arbeitsfähigkeit müsse in der Reha überprüft werden, können Sie sich dem nicht grundsätzlich entziehen. Anders als beim vermeintlich gut gemeinten Ratschlag, den Job zu kündigen und Arbeitslosengeld zu beantragen – hierauf sollten Sie sich niemals einlassen. Bei der Reha müssen Sie mitspielen.

An dieser Stelle ist es ratsam, den Wunsch der Krankenversicherung ins Verhältnis zu setzen. Nach Eingang des Briefes haben Sie zehn Wochen Zeit, einen Antrag zu stellen. Nichts hindert Sie daran, diese Frist bis zum Schluss auszureizen. Schon sind wieder mehr als zwei Monate ins Land gezogen, in denen Ihr Krankengeld weiterläuft. Wenn Sie dann immer noch nicht gesund sind, stellen Sie den Antrag bei der Rentenversicherung.

Ihre Reha wird im Normalfall nicht sofort starten. Im Gegenteil – mitunter dauert es drei bis sechs Monate bis zum eigentlichen Start der Maßnahme. Auch in dieser Zeit erhalten Sie weiterhin Krankengeld. Und erst jetzt, rund ein halbes Jahr nachdem Ihre Kasse Sie zur Reha gedrängt hat, entscheidet sich, ob das Krankengeld einstweilen weiterläuft.

Als Fazit kann man formulieren: Wenn Sie Krankengeld beziehen und Post von Ihrer Krankenkasse erhalten, ist erst einmal Vorsicht geboten. Falls Sie aufgefordert werden, eine Reha zu beantragen, müssen Sie sich jedoch keine Sorgen machen. Bleiben Sie ruhig, warten Sie gegebenenfalls die zehn Wochen ab und sehen Sie dem Antritt der Reha möglichst gelassen entgegen. Wenn sich die Krankenkasse jedoch aus anderen Gründen meldet, zum Beispiel weil der Medizinische Dienst (MdK) Sie trotz Krankschreibung für arbeitsfähig hält, sollten Sie so schnell wie möglich unsere Sozialberatung aufsuchen.

Der Sozialverband Schleswig-Holstein hilft in sozialen Fragen. Wir vertreten unsere Mitglieder bis zum Sozialgericht, zum Beispiel bei Problemen mit der Erwerbsminderungsrente oder dem Behindertenausweis.

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